Das Grundrezept: „Liebe statt Hiebe“
Kriminologe Christian Pfeiffer spricht beim fünften Benefizessen der Münderschen Tafel
BAD MÜNDER. Ein Klaps auf den Po und ab und zu mal was hinter die Ohren – nicht schlimm? Für den Kriminologen Professor Christian Pfeiffer ist es unvorstellbar. Mehr noch: Der Wissenschaftler, der am Wochenende in Bad Münder zu Gast war, sieht darin die Ursache vieler Konflikte. Gewalt gegen Kinder, das sei der Nährboden für Konflikte in autoritären Gesellschaften, gleich ob in der arabischen Welt, in Russland oder sogar in den USA. „Nirgends wird in der Jugend so viel geprügelt wie in den Staaten“, so Pfeiffer anlässlich des fünften Benefizessens der Münderschen Tafel. „Mit bedrückenden Konsequenzen, denn der Teil von Amerika ist von Trump begeistert, der geschlagen wird.“ Bei uns sei die körperliche Züchtigung wie auch die Macho-Kultur auf dem Rückzug, doch stellten uns Zuwanderungswellen vor allem aus dem arabischen Raum immer wieder vor die Herausforderung „einen kulturellen Lernprozess“ zu ermöglichen, so Pfeiffer in seinem Vortrag. Eindrucksvoll und schlüssig legte Pfeiffer anhand von empirischen Forschungen seines Instituts die Zusammenhänge von Gewalterziehung und möglicher Radikalisierung in späteren Lebensjahren dar. „Die Erfahrung von Ohnmacht ist das Entscheidende“, so der Kriminologe, „gleichgültig, ob es sich um Anhänger der AfD, um Rechtsextremisten, südländische Macho-Jugendliche oder Salafisten handelt.“ Pfeiffers auf der Grundlage von „Liebe statt Hiebe“ formulierten Aussagen fanden den lebhaften Zuspruch der knapp 60 Teilnehmer des Benefizessens in der berufsgenossenschaftlichen Bildungsstätte am Deisterhang. Die Veranstaltung stand unter dem Motto „Menschenrechte kennen keine Grenzen.“„Tafeln, das sind Orte der Begegnung“, so Tafel-Chef Dieter Hainer, der angesichts der Arbeitsbelastung der Ehrenamtlichen aber auch darauf hinwies, dass „auch das Ehrenamt Grenzen“ habe. „Tafeln unterstützen, aber versorgen nicht.“ Derzeit betreuen in Bad Münder rund 40 Helferinnen und Helfer etwa 70 bis 90 Tafelkunden pro Woche. Daneben bietet die Mündersche Tafel ein Ergänzungsprogramm an, das von der „Schulobst-Aktion“ über Schwimmunterricht bis hin zur Fahrradwerkstatt reicht. „In Bad Münder sind wir in Sachen Ausländerintegration deutlich weiter als in anderen Kommunen“, so die Landtagsabgeordnete Petra Joumaah. „Wir machen das hier seit 30 Jahren und haben viel mehr Erfahrung. Das Wichtigste ist die Sprache und bei uns arbeitet ein Netzwerk unterschiedlichster Organisationen am Thema.“„Partnerschaft einfordern“, so war denn auch Pfeiffers Antwort auf die Frage „Was tun?“ Etwas, das in Bad Münder auch nach Auffassung von Tafelgründer Hermann Wessling bereits seit langem erfolgreich praktiziert werde. Es gelte bei jungen Menschen generell mehr „Lust auf Leben“ zu wecken, so Pfeiffer. Das funktioniere tatsächlich, was rückläufige Zahlen der Jugendkriminalität belegten. Zuwanderung sei sicherlich eine Chance, stelle die Gesellschaft aber auch vor die Herausforderung, den menschlichen und toleranten Umgang miteinander einzufordern. Und da sei „Liebe statt Hiebe“ das ultimative Grundrezept. Pfeiffer: „Staaten, die das nicht wahrhaben wollen, fallen in ihrer Innovationsfähigkeit zurück, was etwa die Zahl der Patentanmeldungen deutlich macht. Nur der Staat kann sich gut entwickeln, dessen Menschen gewaltfrei und tolerant miteinander umgehen.“ Musikalisch begleitet wurde das fünfte Benefizessen vom 17-jährigen Anton Ballmaier, der mit einigen Stücken auf dem Marimbaphon begeisterte. Der Erlös der Veranstaltung geht in die von Pfeiffer gegründete erste deutsche Bürgerstiftung, die das Geld für gebrauchte Instrumente für junge Kinder verwenden wird.
Von Christoph Huppert