Viele strahlende Gesichter

90 Fahrräder bekommen, 30 ausgegeben: Mündersche Fahrradwerkstatt zieht nach drei Monaten erste Bilanz

Bad Münder. Die Bilanz bei einer von Ehrenamtlichen geführten Einrichtung sieht anders aus, als die in normalen Betrieben und Unternehmen. Hier geht es nicht um nackte Zahlen, Gewinne und Umsätze. Bei der münderschen Fahrradwerkstatt etwa zeigt sich der Erfolg nach drei Monaten in zahlreichen strahlenden Gesichtern. Und das motiviert wiederum alle, die ihr Scherflein dazu beigetragen haben. 30 Fahrräder haben einen neuen Besitzer Knapp 90 Fahrräder hat die Werkstatt inzwischen von Spendern und aus dem Fundbüro erhalten –nur vier davon waren nicht mehr flott zu machen und taugten nur noch zum Ausschlachten. Wieder verkehrssicher gemacht und an Tafel-Kunden ausgegeben wurden etwa 30 Räder. Und auch bei der jüngsten Öffnung der Werkstatt Am Theenser Anger warteten viele auf die Ausgabe „ihres neuen Rads“. Aber auch Werkstatt-Leiter Dieter Stradtmann und sein Gehilfe Tino Trajlovic freuen sich auf die bereits angekündigte erste Elektrofahrradspende. „Definitiv eine Herausforderung“, sind sie sich einig. Neue Projekte, wie etwa die Anschaffung eines Anhängers, mit dem sich Räder abholen und bringen lassen, stehen für die nächsten Wochen auf dem Plan. „Gerne wollen wir auch mit dem Verkehrsgarten der Linsingen-Kaserne in Hameln kooperieren, um mehr Fahrsicherheit ins Spiel zu bringen.“ Geldbringer wie jüngst Hille Fischer-Willadsen mit einer 400- Euro-Spende vom Civitan Club Bad Münder nähren die Hoffnung, dass interessierte Spender dem Projekt gewogen bleiben. „Wenn wir um Unterstützung auch nicht monetärer Art bitten, rennen wir meistens offene Türen ein“, sagt Stradtmann zufrieden. Hilfreich dabei: Hier ist nicht nur Idealismus im Spiel, sondern wohlkalkulierte Umsetzung. So geht keines der Räder einfach umsonst raus. Für die Arbeitszeit und das Material, das vonnöten ist, um klapprig gewordene Drahtesel wieder flott zu machen, soll wenigstens ein Anerkennungspreis gezahlt werden. 15 bis 30 Euro kosten die gebrauchten Räder jetzt – je nachdem, ob es sich um ein Kinderfahrrad oder sogar ein Mountainbike handelt. Fahrradhelme sind Pflicht, und ein paar Weisungen gibt es neben dem Übergabe-Foto via Handy stets auf den Weg: „Fahrt sicher und achtet auf Fußgänger“, diese Botschaften weiß Stradtmann ebenso herzlich wie nachdrücklich in vielen Sprachen zu übermitteln. Wer es kaum abwarten kann sein Fahrrad in Empfang zu nehmen, hat gute Chancen, die beiden Schrauber in der Werkstatt von einer neuen Reihenfolge zu überzeugen – wie der 21-jährige Syrer Beki Muslim. An seinem schicken gelben Mountainbike war bei der versuchten Reparatur schon ein Werkzeug zerschlissen. „Noch nicht fertig“, lautete die Ansage, die Enttäuschung des jungen Syrers offenkundig. Der einzige Hoffnungsschimmer: „Pack selbst mit an, dann ziehen wir es vor.“ Wann immer solche Verständigung funktioniere, sei dies für alle Seiten bereichernd. „Bei manchen merkt man schon, dass sie besonderes Geschick mitbringen, bei einem Schneider zum Beispiel“, erzählt Tino Trajlovic. Er selbst hat nach Jahrzehnten der Schreibtischarbeit im öffentlichen Dienst Spaß daran gefunden, sich die Hände beim Schrauben schmutzig zu machen und etwas Sinnvolles zu tun. Über die eher universelle Sprache der Technik kommen die Menschen unter dem Dach der Fahrradwerkstatt trotz großer Sprachbarrieren ins Gespräch. Unterdessen betonen die Organisatoren der Fahrradwerkstatt, dass die Aufgabe der jungen Institution eher noch an Bedeutung zunimmt. „Die Unterkünfte in der Innenstadt sind inzwischen belegt, sodass neu ankommende Flüchtlinge jetzt auf die Ortsteile ausweichen – da wird Mobilität umso wichtiger“, betont Mitgründer Hermann Wessling. Allein der Nothilfefonds des Bistums Hildesheim hatte gemeinsam mit der örtlichen katholischen Gemeinde 2500 Euro gespendet. Von Katharina Weißling